Angesichts einer offenen und ungewissen Zukunft und im Hinblick auf den nicht mehr vorgegebenen, sondern vom einzelnen selbst zu bestimmenden Lebenssinn wird eine Erziehung immer fragwürdiger, die den Menschen in erster Linie für Zwecke abrichten und auf Funktionen vorbereiten will. Daher erscheint es dringend notwendig, das Projekt Erziehung von der Idee der mündigen Person her neu zu denken und zu entwerfen. Statt die europäische Tradition von Antike, Christentum und Aufklärung preiszugeben, wird diese im Hinblick auf aktuelle Probleme und Herausforderungen der Zukunft projiziert. Das von den deutschen Pädagogen und einem südamerikanischen Bildungsplaner ursprünglich für amerikanische Leser konzipierte Buch erörtert die zehn wichtigsten Grundfragen der Erziehung und versteht sich als Aufforderung zu eigenem kritischen Nachdenken. Die junge Erziehungswissenschaftlerin Sabine Seichter hat das inzwischen weltweit erprobte Lehr- und Lernbuch für ein breites deutschsprachiges Publikum überarbeitet und neugefasst. In dieser Form wendet es sich an alle an Erziehung Interessierten (Eltern, Erzieher, Lehrer, Studierende, Bildungspolitiker, Pädagogen) und eignet sich gleichermaßen für die Ausbildung von Erziehern und Lehrern wie als Lernbuch für das individuelle Selbststudium.
Überall wo erzogen wird, wird auch etwas gezeigt, um das Lernen der Kinder und Heranwachsenden zu fördern und zu fordern. Auf diese operative Basis ist alle Erziehung ebenso wie die pädagogische Reflexion bezogen. Die Zeigestruktur der Erziehung liefert den Grundriß für den Aufbau einer operativen Pädagogik entlang der Frage: Was tun wir und wie verhalten wir uns, wenn wir erziehen? Innerhalb der Zeigestruktur der Erziehung geht es darum, zwei gänzlich verschiedene Operationen aufeinander zu beziehen: das unvermeidlich individuelle und unvertretbare Lernen des Einzelnen und das sozial inszenierte Erziehen. Beides ist zu koordinieren, auf Zeit zu synchronisieren und wieder zu entkoppeln, um den selbständigen Gebrauch des Gelernten zu ermöglichen. Um das zu leisten, bedarf es nicht nur einer Didaktik des Zeigens, um Themen und Kompetenzen zu erschließen, sondern auch einer spezifischen Moral des Zeigens. Was immer gezeigt wird, hat den Maßstäben der Verständlichkeit, der Zumutbarkeit und der Anschlußfähigkeit zu entsprechen. Sie machen den Kern einer operativ begründeten Pädagogischen Ethik aus.