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Die mittelhochdeutsche Lyrik greift mariologisches und marianisches Wissen vielfach auf – in der Darstellung von Marienleben, in der Überblendung der höchsten vrouwe und der Minnedame im Hohen Minnesang, im expliziten Marienpreis. Besonders komplexe Formen der Adaptationen finden sich im Werk Frauenlobs am Ende des 13. Jahrhunderts. Dabei spielen die spärlichen Geburtsberichte (Lk, Mt), die apokryphe Überlieferung, vor allem aber auch Rückgriffe auf die Apokalypse (insbes. Offb 1,12 und Offb 21), das Hohelied sowie die Weisheitsbücher (insbes. Sir 24) eine zentrale Rolle. Entscheidend ist, dass Frauenlob ganz unterschiedliche Mariendeutungen, wie sie sich seit den Anfängen der Marienverehrung in die Tradition in immer neuen Amalgationen eingeschrieben haben, aufgreift und in einer Fülle an disparaten Anspielungen elaboriert-eigenwillig kombiniert. Theologisches, naturwissenschaftliches und literarisches Wissen wird dabei aufgegriffen und rezipiert sowie in den Verfahren der ästhetischen Korrelation und Überblendung neu kommentiert und transformiert. Damit vermittelt Frauenlob nicht nur Expertenwissen in den Raum der höfischen Laienkultur hinein in Hinblick auf spezifische Deutungstraditionen und Funktionalisierungen der Marienfigur, sondern dynamisiert dieses Wissen zugleich mit Auswirkungen auf neue Geschlechter-, Minne-, ja selbst Autorkonzeptionen. Das Konzept des religiösen Wissens erlaubt es, gerade diesen doppelseitigen Wirkungsbezug herauszuarbeiten.