Bis heute sind die außenpolitischen Vorstellungen Stresemanns vor 1914 nicht umfassend analysiert worden – eine erstaunliche Lücke angesichts der intensiven Beschäftigung der Forschung mit dem Weimarer Reichskanzler und Außenminister. Das Buch von Thomas H. Wagner gewinnt so weit über den im Mittelpunkt stehenden Zeitraum hinaus Bedeutung für die Gesamtbeurteilung von Persönlichkeit und Politik des Friedensnobel-preisträgers von 1926. Auf der Basis neuer Quellenfunde widerlegt der Autor die bislang vorherrschende These von der Kontinuität einer weltwirtschaftlichen Orientierung Stresemanns zwischen 1907, als Stresemann in den Reichstag einzog, und 1929. Der junge Reichstagsabgeordnete nahm billigend in Kauf, notfalls auch den kriegerischen Weg zu beschreiten, um dem Deutschen Reich seinen „Platz an der Sonne“ zu sichern, auf den es in seinen Augen ein historisches Anrecht besaß. Wagner zeigt, wie überaus aggressiv Stresemann nach der zweiten Marokkokrise 1911 auf einen politischen Konfrontationskurs gegenüber Großbritannien einschwenkte, um gegenüber dem wichtigsten deutschen Rivalen im Kampf um den Weltmarkt bestehen zu können. Eine Revision des gängigen Stresemannbildes ist angezeigt.
Trotz hoher Investitionen in Bildung, Integration und die anderen Bereiche des Sozialstaats steigt in Deutschland das Risiko, von Armut betroffen zu sein. Immer häufiger ist von einer Spaltung der Gesellschaft die Rede. Wieviel Ungleichheit verträgt eine Gesellschaft, wieviel Gleichheit ist notwendig, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewährleisten? Wie positioniert sich die Christliche Sozialethik angesichts der Armuts- und Exklusionsphänomene? Welche Lösungsstrategien bietet sie an und wie werden diese aus der Sicht anderer Wissenschaftsdisziplinen beurteilt? Die Reihe „Sozialethik konkret“ greift diese vielschichtige Problematik auf und diskutiert die Frage (sozialer) Gerechtigkeit im Zusammenhang mit Gleichheit und Ungleichheit in Deutschland aus der Sicht unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen. Dabei wird der spezifische, wissenschaftliche Lösungsbeitrag der christlichen Sozialethik zu dieser politischen und wirtschaftlichen Gestaltungsaufgabe herausgearbeitet. Im Dialog mit den anderen Wissenschaften sollen eine ausgewogene Beurteilung der Armutsthematik erreicht, Vorschläge zur konkreten Gestaltung von Reformprozessen und Strukturveränderungen erarbeitet und offene und weiterführende Fragestellungen identifiziert werden.
Der vorliegende Band über die Westzonen knüpft an die renommierte Edition der »Akten deutscher Bischöfe zur Lage der Kirche 1933-1945« an. Er setzt im April 1945 ein und führt die Edition über das Schwellenjahr 1945 hinaus bis Ende 1947 fort. Nach breiten und intensiven Quellenforschungen in kirchlichen und staatlichen Archiven kann der Band mit zahlreichen bislang unbekannten Dokumenten aufwarten. Für die historische Erforschung der Besatzungszeit bildet der Aktenband Ulrich Helbachs künftig eine unverzichtbare Grundlage.
Die Annahme des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat am 23. Mai 1949 war die Geburtsstunde der westdeutschen Bundesrepublik Deutschland. Die deutschen Bischöfe stuften die Beratungen in Bonn als »Schicksalsstunde« ein, in der das Selbstverständnis der künftigen Demokratie und die Grundpositionen der katholischen Kirche im politischen und gesellschaftlichen Leben des neuen deutschen Staates festgelegt wurden. In vielen Eingaben und Gesprächen hoben die Bischöfe den kirchlichen Standpunkt in Fragen von Schule und Erziehung, Ehe und Familie sowie des Verhältnisses von Kirche und Staat heraus, wobei der Einfluß der katholischen Kirche keineswegs so weit reichte, wie gemeinhin angenommen wird. Der beauftragte Kirchenvertreter, der Kölner Prälat Wilhelm Böhler, machte sich aber um die grundgesetzliche Sicherung des Rechts auf Leben, die freie Religionsausübung, den Schutz von Ehe, Familie und Religionsunterricht sehr verdient. Der deutsche Episkopat sah sich auch 1948/49 mit den Folgen von Diktatur und Zweitem Weltkrieg konfrontiert. Ihren seelsorglich motivierten Einsatz für die Opfer von Flucht und Vertreibung, ihre stillen Interventionen für Kriegsgefangene und Internierte, aber auch ihren Protest gegen unrechtmäßige Entnazifizierungsverfahren verstanden die Bischöfe als Fürsprache für das ganze deutsche Volk. Mehr als 300 bislang unveröffentlichte und kritisch kommentierte Dokumente ermöglichen einen unmittelbaren Einblick in das politische wie gesellschaftliche Denken und Handeln der katholischen Kirche an der Nahtstelle zwischen alliierter Besatzung und junger Bundesrepublik.